Irsee, 04.12.2023 (lifePR) – Seit dem 1. Advent findet sich eine „Anbetung der Hirten“ im historischen Treppenhaus von Kloster Irsee. Das unsignierte Bild (H 177 cm, B 128 cm) zeigt Maria, die das in der Krippe liegende Jesuskind Hirten präsentiert. Sie hebt dazu ein Tuch an, in dem das Kind offenbar eingewickelt war. Rechts hinter Maria steht Josef mit einem Ochsen, vor ihm kniet eine Magd mit einem Korb voller Eier. Vor der Krippe liegt ein Lamm mit gebundenen Läufen, ein Geschenk der Hirten und zugleich ein Verweis auf Christus als Lamm Gottes. Im Hintergrund ist der Stall nur schwach angedeutet, ansonsten wird er von einer Kaskade jugendlicher Engelsgestalten eingenommen, die vom Himmel herabschwebend dem Christkind huldigen. Lichtakzente (Spots) betonen die Gruppe aus Maria und Kind, in schwächerem Maße auch die umgebenden Figuren und den Himmel mit den Engeln.
“Das Bild besitzt sehr gute Qualität”, betont Dr. Gerald Dobler (Dienste in Kunst- und Denkmalpflege, Wasserburg) in seiner vom Schwäbischen Bildungszentrum beauftragten Recherche zur kunsthistorischen Einordnung des Leinwandgemäldes. Ihm fällt auf, dass das Irseer Bild zu zwei „Anbetungen der Hirten“ in Merkendorf (Mittelfranken) und Kempten bemerkenswerte kompositorische und motivische Übereinstimmungen aufweist. Trotz größerer Abweichungen in der Gestaltung der Gesichter, so Dorothea Preyss (Bildwerk-Restaurierung, München), finden sich in der Maltechnik, der Art des Farbauftrags und der Verwendung von Lichthöhungen teilweise so große Übereinstimmungen, dass es gerechtfertigt erscheint, denselben Maler anzunehmen – und zwar den aus Memmingen stammenden Johann Heiss (1640-1704). Heiss absolvierte seine künstlerische Ausbildung in seiner Heimatstadt und in Augsburg. Zudem wird eine Italien-Reise des Künstlers angenommen, da Einflüsse Tizians, Tintorettos und Veroneses konstatiert werden. Aufgrund der Fülle der überlieferten Werke und des Nachlassens seiner eigenen Leistungsfähigkeit ist insbesondere ab etwa 1994 die zunehmende Hinzuziehung von Gehilfen zu vermuten, jedoch fehlen dafür urkundliche Belege.
Dr. Gerald Dobler resümiert: „Bei dem Irseer Bild dürfte es sich um ein Werk von Johann Heiss oder von einem sehr engen Mitarbeiter handeln, da es qualitativ gleichwertig oder sogar besser ist als viele andere seiner Bilder, außerdem vielleicht etwas malerischer und weniger detailliert. Ob das Bild bereits ursprünglich für Irsee bestimmt war, bleibt offen, ist aber sehr wahrscheinlich. Es dürfte noch vor 1699 entstanden sein, da in diesem Jahr Pater Magnus Remy in den Irseer Konvent eintrat, der anschließend wohl sämtliche Bilder für das Kloster in seiner eigenen, charakteristischen Malweise herstellte“.
Der Leiter von Kloster Irsee, Dr. Stefan Raueiser, erläutert eine weitere Etappe der spannenden Überlieferungsgeschichte des Irseer Weihnachtsbildes: „Aus den späten 1940er Jahren haben sich zahlreiche Foto-Aufnahmen von Pater Carl Wolff (Münsterschwarzach) erhalten, der zwischen 1943 und 1950 als Hausgeistlicher in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt Irsee diente. Sie zeigen unter anderem die ehem. Anstaltskapelle, in der das Weihnachtsbild in einen Altar integriert war – z.T. mit einer Krippenstall-Konstruktion umrahmt“. Für das Tagungs-, Bildungs- und Kulturzentrum des Bezirks Schwaben ein weiterer Grund, das kürzlich restaurierte Bild in der Advents- und Weihnachtszeit allen Besucherinnen und Besuchern von Kloster Irsee im historischen Treppenhaus zu präsentieren.